Prozessarchitektur trifft Autopilot

Tag für Tag navigieren wir durch unseren Alltag. Stehen (meistens) auf, wenn der Wecker klingelt, kochen einen Kaffee, versorgen die Kinder, erledigen dies und das, ohne dass eine sorgfältige Planung oder gar eine bewusste Willensentscheidung für all diese Handlungen Voraussetzung war. Irgendetwas in uns übernimmt die Regie. Dieser Autopilot ermöglicht uns, auf eine höchst effiziente und energieschonende Art und Weise mit den Anforderungen des Alltags klar zu kommen. Dafür brauchen wir keine Ziele, keine Entscheidungsalgorithmen oder gar eine ausgeklügelte Strategie, denn unser gesamtes Nervensystem ist auf Ökonomie und Gewohnheit ausgerichtet. Selbst Misserfolge stecken wir meist duldsam weg. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir frei von Fehlern oder Fehleinschätzungen wären.

Bisweilen ist der Autopilot nämlich eher ein Bruchpilot, der aus seinen Fehlern nichts zu lernen vermag. Bedauerlicherweise beruft sich unser Autopilot weniger auf Fakten und sorgfältige Analysen, sondern ist emotions- und erfahrungsgesteuert und jeder weiß, wie schwer es ist, jahrelange Gewohnheiten zu verändern.

Was hat nun unser Autopilot mit dem Business Process Management (BPM) zu tun? Eine ganze Menge!

Widerspricht doch unser natürliches Verhalten einem planvollen, durchstrukturierten Prozess, der idealerweise aus der Abfolge von Problemstellung – Lösungsgenerierung – Maßnahmenplan – Prozessbeschreibung – Ausführung und Evaluation besteht. Die Kraft des willkürlichen Wollens scheitert dann an der Kraft der unwillkürlichen Prozesse. So neigen Mitarbeiter zum Beispiel häufig dazu, Ursachen für Probleme in den Abteilungen zu suchen, in denen sie tätig sind.

Ebenso sind wir es gewohnt, jene Informationen stärker zu gewichten, die die eigenen Einstellungen bestätigen. Veränderungen, an denen wir nicht mitgewirkt haben, werden meist als bedrohlich empfunden und das Selbstwertschutzprogramm übernimmt dann die Regie.

Wir tendieren dazu, Muster auch dort zu erkennen, wo sie gar nicht existieren. Wir konstruieren Ursachen dort, wo sie objektiv nicht vorhanden sind. Ebenso sind wir darauf gepolt, uns an die als erste und die als letzte dargebotene Information zu erinnern. Weil wir negativen Erfahrungen bzw. Informationen eine höhere Aufmerksamkeit und ein größeres Gewicht einräumen als den positiven Informationen, macht es wenig Sinn, in extremen Stresssituationen an das Licht am Ende des Tunnels zu appellieren. Wir stellen Zusammenhänge her, wo gar keine sind (Fake News) und glauben auch noch gar daran. Zu guter Letzt neigen wir dazu, am Bestehenden festzuhalten, solange das Neue uns keinen erheblichen Benefit beschert.

Wenn wir also Menschen helfen wollen, in eine ausreichende Selbstverpflichtung auf geänderte Prozessarchitekturen zu kommen, wie sie in Change Prozessen unabdingbar sind, werden Frameworks, Appelle und noch so genaue Arbeitsanweisungen nur eine begrenzte Wirkung haben. Tools sind eben nicht alleine der Erfolgsgarant für Agilität!

Gerade in agilen Prozessarchitekturen (eigentlich ein Widerspruch), in denen ein hoher Grad an mentaler, emotionaler und sozialer Beweglichkeit gefordert ist, wird die (personalentwicklerische) Arbeit an den unwillkürlichen Prozessen zu einer zentralen Aufgabe.

Agile Methoden wie Scrum, Design Thinking, Kanban und viele andere wären noch wirkungsvoller, wenn wir zunächst erkunden, welche Grundüberzeugungen, Werthaltungen, Wahrnehmungsmuster etc. die involvierten Mitarbeiter mitbringen. Gerade Kooperation und Kollaboration sind uns nicht unbedingt in die Wiege gelegt, sondern meist nur oberflächlich in der eigenen beruflichen Entwicklung bearbeitet.

Nun ist aber unser unwillkürliches Mindset nur bedingt beeinflussbar. Es setzt voraus, dass der Mitarbeiter sich mit diesen seinen (berufs-) biographischen Imprägnierungen beschäftigt und sich willentlich, vielleicht sogar mit Lust und Neugier darauf einlässt, in einen persönlichen Transformationsprozess einzutreten.

Im Coaching mit Führungskräften machen wir immer wieder die Erfahrung, dass die Menschen es als lohnend empfinden, in einen persönlichen Erkundungsprozess zu tauchen, der wahrlich keine Therapie ist, sondern Grundlage, sich selbst und andere besser zu verstehen. Unabdingbar für kollaborative Fitness in agilen Prozessarchitekturen!

Fazit: Agile Prozessarchitekturen brauchen Mitarbeiter, die nicht nur bereit sind, sich agile Methoden anzueignen, sondern vor allem solche, die auch an ihrer agilen Grundhaltung arbeiten wollen.

Personalentwicklung im agilen Umfeld bedeutet deshalb die Fokussierung auf alle Bereiche menschlichen Handelns, Haltungsmanagement, Verhaltensmanagement und Verhältnismanagement.

Das heißt vor allem, für jene Kontextbedingungen zu sorgen, die die Arbeit an sich attraktiv macht, ohne dem Hype der Selbstoptimierung zum Opfer zu fallen.

„Enjoy Performance“ ist die Devise!

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