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Blackout – die Achillesferse der Digitalisierung (Teil 1)

Teil 1: Über Risiken und Wahrscheinlichkeiten

Alles, was man heute mit Innovation verbindet, hat mit Digitalisierung zu tun: die zukunftsträchtigsten Entwicklungen, die erfolgversprechendsten Geschäftschancen, die größten Wachstumstreiber.

Regelrecht banal, ja geradezu von gestern, wirkt dagegen die Binsenweisheit, dass alles Digitale nichts ist ohne Strom. Energieversorgung erinnert an Wasserleitungen und Klärwerke, an gewöhnliche, wenn nicht gar überholte Technik, jedenfalls an nichts Modernes. Apple ist cooler als RWE. Strom wird einfach vorausgesetzt.

Doch das ist ein Trugschluss!

RISIKEN

Um Ihre Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema zu gewinnen, möchte ich mit einem Schlagwort starten, das Ihnen sicherlich vertraut ist: Cybercrime. Dass die Risiken des Cyberspace eine Gefahr für die Stromversorgung und damit auch für das digitale Business darstellen, hat sich angesichts der Vielzahl der Vorfälle inzwischen herumgesprochen.

Bekannt geworden sind beispielsweise Angriffe auf Systeme zur Überwachung und Steuerung iranischer Kernkraftwerke, auf die Steuerungssoftware vor allem spanischer Gaskraftwerke, Ölleitungen und Windturbinen, auf die IT-Netzwerke ukrainischer Stromversorger oder auf das Sicherheitssystem eines Kraftwerkes in Saudi-Arabien. Aus deutscher Sicht ist das vor allem deshalb bedeutsam, weil hierzulande die gleichen Triconex-Sicherheitssysteme, SCADA-Systeme und sonstigen Steuerungssoftwares im Einsatz sind und auch deutsche Infrastrukturen infiziert waren, ohne allerdings geschädigt zu werden.

Längst haben Innenpolitiker, Behörden und Sicherheitsanbieter ganz konkret auf die Möglichkeiten von Hackern hingewiesen, durch Schadsoftware Kraftwerke anzugreifen sowie gezielt einzelnen Straßenzügen oder ganzen Landstrichen den Strom abzuschalten. Auch überregional. Bemerkenswert ist, dass wir trotzdem beispielsweise die Einführung des smarten Stromnetzes mit Smart Grids und Smart Metern vorantreiben. Nicht nur der Schriftsteller Marc Elsberg hatte mit seinem viel beachteten Roman „Blackout“ auf die Sabotagefähigkeit intelligenter Stromzähler hingewiesen, die wie jedes vernetzte Informations- und Kommunikationssystem prinzipiell aus der Ferne sabotierbar sind.

Auch den Behörden ist die Problematik bewusst. Experten haben längst Schwachstellen gefunden, aber aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), mangelt es bislang an bestimmten Gerätezulassungen. Gleichwohl überwiegt das politische Ziel. Das gilt auch für die Frage der Versorgungssicherheit infolge von Atomkraft- und Braunkohleausstieg. Mir geht es nicht um die politische Bewertung der Energiewende an sich, sondern um die ganz nüchterne Betrachtung des Themas unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit. Denn dass die Anzahl der energieerzeugenden Anlagen in Deutschland binnen zehn Jahren von rund 1000 auf über 1,7 Millionen angestiegen ist, erhöht nicht nur die Komplexität, sondern hat auch enorme Erzeugungsschwankungen im Bereich erneuerbarer Energien zur Folge – je nachdem, ob und wie stark beispielsweise die Sonne scheint oder der Wind weht.

Um Sie nicht mit den physikalischen Grundlagen der Energieerzeugung zu langweilen, lassen Sie uns bitte gemeinsam voraussetzen, dass im Netz immer genauso viel Strom erzeugt werden muss, wie verbraucht wird, um die physikalisch erforderliche Frequenz von 50 Hertz zu halten. Fossile Energieträger haben sozusagen einen Speicher in der Primärenergie. Das heißt, es kann beispielsweise jederzeit mehr oder weniger Kohle, Gas oder Öl verbrannt werden, um Strom zu erzeugen. Die Verfügbarkeit der wichtigsten erneuerbaren Energieträger Wind und Sonne ändert sich hingegen wetterabhängig.

Genau dann, wenn die bevorzugten regenerativen Erzeuger – etwa während Dunkelflauten – nicht zur Verfügung stehen, werden zusätzlich vorgehaltene konventionelle Kapazitäten gebraucht. Umgekehrt muss bei Überproduktion Strom aus dem Netz genommen werden, etwa durch das Hochfahren zusätzlicher Verbraucher. Um es kurz zu machen: Das Ausmaß, das solche Eingriffe inzwischen angenommen haben, hat sich in den letzten Jahren vervielfacht und birgt in zunehmendem Maße das Risiko, dass sie auch einmal nicht mehr ausreichen, um Netzsicherheit und Netzstabilität aufrecht zu erhalten.

Dem soll vor allem mit dem Bau neuer Leitungen zwischen Energieerzeugern und -verbrauchern begegnet werden. Damit überschüssiger Strom aus der einen Region in eine andere, wo er in diesem Moment gebraucht wird, transportiert werden kann, soll das Netz ausgebaut werden. Konkret geht es um mehrere sogenannte Stromautobahnen aus dem Norden Deutschlands, wo die großen Windparks und Sonnenfarmen stehen. Der Strom soll in die Ballungsräume und Industriezentren im Süden mit ihrem immensen Energiebedarf gebracht werden.

Nach mehreren Verzögerungen werden die Stromtrassen nach aktueller Planung im Jahr 2025 fertiggestellt, was an sich nicht besonders problematisch wäre – wenn die Politik nicht gleichzeitig daran festhalten würde, dass die letzten deutschen Kernkraftwerke bis Ende 2022 vom Netz gehen und – wenn nicht gleichzeitig ein vorzeitiger Braunkohleausstieg vorangetrieben werden würde. Für einen mehrjährigen Übergangszeitraum wird also mindestens die Kernenergie bereits wegfallen, während die Netze noch nicht fertiggestellt sein werden, durch die der Ersatz transportiert werden soll. Das bedeutet eine Periode nochmals gesteigerter Gefährdung.

Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei der steigende Strombedarf, zu dessen wesentlichen Treibern die Digitalisierung zählt. Auch weiterhin werden mechanische durch elektrische oder elektronische Lösungen ersetzt und Mechanik wird digital steuerbar gemacht – etwa durch die Konzepte des Smart Homes im privaten Bereich oder der Industrie 4.0 in der Wirtschaft. So verbraucht ein iPhone pro Tag im Durchschnitt mehr Strom als ein Kühlschrank – nicht direkt, aber durch die Prozesse, die es woanders auslöst, etwa in Rechenzentren.

Weil ich Ihnen damit nichts Neues erzählen werde, will ich die Beispiele des Minings von Kryptowährungen oder der zunehmenden Elektromobilität mit Blick auf den damit verbundenen Energiebedarf nur kurz anreißen. Dabei wiederholt sich bei der Elektromobilität das grundsätzliche Problem der Energiewende: Weil sich E-Autos trotz staatlicher Kaufprämien noch nicht im gewünschten Maße durchgesetzt haben, erwägt die Europäische Union eine Elektroquote für Neuwagen. Das politische Ziel ist gesetzt. Für 2030 ist eine Quote von 15 Prozent im Gespräch. Doch dass auch der Strom, der für das saubere Autofahren benötigt wird, erst irgendwo herkommen und irgendwie produziert werden muss, scheint dabei vergessen zu werden. Jedenfalls ist das deutsche Stromnetz für diese Menge an Elektromobilen nicht ausgelegt, zumal die Kapazitäten das gleichzeitige Laden vieler Elektrofahrzeuge erlauben müssen. Vernünftigerweise sollte dem Ausbau der Elektromobilität ein Ausbau des Stromnetzes vorausgehen…

Nun könnte ich noch auf Risiken wie menschliches oder technisches Versagen, Bauarbeiten oder Aging Infrastructures, physische terroristische Anschläge auf die Infrastruktur der Stromversorgung, die strukturelle Versorgungssicherheit oder den Ausfall der Primärenergie eingehen. Ich könnte Ihnen die Gefahren durch Naturereignisse, Extremwetter oder Klimawandel darstellen. Und wenn Sie hart im Nehmen wären, könnte ich auch noch auf einen längst überfälligen „Koronalen Massenauswurf“ der Sonne (KMA), einen „Elektromagnetischen Puls“ (EMP) oder eine offenbar bereits eingeleitete „Polumkehr“ eingehen, die übrigens nicht dem esoterischen Spektrum zuzuordnen sind, sondern weltweit seriöse Wissenschaftler und Behörden beschäftigen.

Aber ich denke, dass bereits deutlich geworden ist, dass es verschiedene Risiken gibt, die eine ernsthafte Gefahr für die Energieversorgung darstellen – und das in weiter zunehmendem Maße!

WAHRSCHEINLICHKEITEN

Falls Sie sich schon mit der Frage der Energieversorgung beschäftigt haben, werden Sie vermutlich den im Übertragungsnetzbetrieb geltenden Grundsatz des (n-1)-Kriteriums einwenden, der ursprünglich für Systeme mit lokaler Netzabdeckung und geringen Transportentfernungen gedacht war. Das (n-1)-Kriterium bedeutet nichts weiter, als dass Störungen oder Ausfälle einzelner elektrischer Betriebsmittel – ob Leitung, Transformator, Generator oder ganzes Kraftwerk – im Notfall über andere Betriebsmittel ausgeglichen werden, ohne dass es zu Ausfällen in der Versorgung kommt. Es müssen also mindestens zwei Ereignisse zusammenkommen, also zwei Betriebsmittel ausfallen, damit es zu einem Stromausfall kommt. Oder die Systeme müssen nicht korrekt betrieben worden sein.

Erschütternd ist, wie oft es trotzdem vorkommt. Und damit meine ich nicht nur die großen Vorfälle.

Allein in den zurückliegenden 15 Jahren

  • hatten in Deutschland eine Viertelmillion Menschen fast eine Woche lang keinen Strom
  • ging von Deutschland ein Stromausfall aus, der auch die Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien und Österreich erfasste
  • traf ein Stromausfall in Italien die sagenhafte Zahl von 57 Millionen Menschen

Diese Aufzählung ließe sich beinahe beliebig fortsetzen. Auch in Westeuropa oder im Bereich der G7-Länder, die sich als bedeutendste Industrienationen der westlichen Welt verstehen.

Noch viel häufiger treten kleinere Vorfälle auf, also lokale oder regionale Stromausfälle von überschaubarer Dauer. Was schätzen Sie, wie oft der Strom in Deutschland ausfällt? Laut offizieller Statistik der Bundesnetzagentur gibt es pro Jahr 172.600 Ausfälle, das sind 472 pro Tag! Das ist viel, oder?

Aber es ist noch nicht die ganze Wahrheit, denn zahlreiche Stromausfälle werden gar nicht erfasst. Rechnet man etwa die nicht berücksichtigten

  • Versorgungsunterbrechungen mit einer Dauer von bis zu drei Minuten
  • nicht ungeplanten, also geplanten Versorgungsunterbrechungen
  • ungeplanten Versorgungsunterbrechungen, die auf andere Ursachen als „Atmosphärische Einwirkungen“, „Einwirkungen Dritter“, „Zuständigkeit des Netzbetreibers“ und „Rückwirkungsstörungen“ zurückzuführen sind, und
  • Versorgungsunterbrechungen aufgrund von höherer Gewalt wie Orkane, Hochwasser, Schnee- und Eislasten

hinzu, würden die tatsächlichen Versorgungsstörungen Berechnungen zufolge wohl beim Zehnfachen der offiziellen Zahlen liegen, nämlich bei 4700 Stromausfällen pro Tag!

Und Ihnen brauche ich ja auch nicht zu erklären, dass im IT-Bereich selbst Ausfallzeiten im Sekundenbereich Dominoeffekte sowie erhebliche Schäden auslösen können.

Ein Beispiel eines solchen Ausfalls, der eigentlich gar nicht hätte passieren dürfen, war ein Stromausfall in Frankfurt am Main Mitte April 2018, der auch den Internetknoten DE-CIX betraf und zu einer Einschränkung des Internets führte. Denn DE-CIX ist nicht nur einer der weltweit wichtigsten Umschlagplätze für den Datenverkehr im Internet, sondern er hat mit mehr als sechs Terabit pro Sekunde den höchsten Datendurchsatz der Welt. Was war passiert?

Die Systeme dieses Internetknotens sind zwar über 21 verschiedene Rechenzentren in der ganzen Stadt verteilt, aber der Stromausfall in einem dieser Rechenzentren genügte. Und das, weil neben der Stromversorgung über das Netz, auch die Notstromversorgung durch Dieselgeneratoren nicht mehr funktionierte und die mehrfach redundante Infrastruktur schlichtweg versagte!

AUSBLICK

In diesem 1. Teil meines Beitrags bin ich auf einige Risiken für die Versorgungssicherheit eingegangen und habe einen Überblick über die kleineren und größeren Stromausfälle gegeben, die heute bereits stattfinden oder stattgefunden haben.

Im 2. Teil meines Beitrags, der in der nächsten Ausgabe des its-people Magazin erscheinen wird und auch hier im its-people Blog, werde ich die Auswirkungen beschreiben. Hier etwa die wechselseitigen Abhängigkeiten von Stromnetz und Internet, die Folgen eines Stromausfalls für Hardware, Internet und Telekommunikation sowie die Bedeutung für Ihr Geschäft und das Ihrer Kunden. Zudem werde ich auf bestehende Vorsorgemöglichkeiten eingehen, auf die Notwendigkeit individueller, maßgeschneiderter Lösungen und auf wichtige Aspekte, die in jedem Konzept eine Rolle spielen.

TOBIAS GREILICH ist externer Autor. Er hat ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert und ist Master of Business Marketing (MBM). Er war unter anderem in Unternehmen der Elektrotechnik sowie des IT-Consultings als Bereichsleiter tätig. Außerdem arbeitet er als freier Journalist und Fachbuchautor und ist beratend tätig. Sein aktuelles Buch befasst sich mit dem Blackout-Schutz (Titel: Bedrohung Blackout – Wahrscheinlichkeit, Risiken, Vorsorge)
Kontakt:
Tobias.Greilich@gmx.de

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